Ausstellung: Bepflanzte Häuser – GRÜN in der Architektur
VON EINSZUEINS, ANGELA SABO
Bepflanzte Architektur. Unter Architekten und Bauplanern ist das ein heikles Thema. Umso spannender die aktuelle Ausstellung „EINFACH GRÜN – Greening the City“ im DAM Deutsches Architekturmuseum Frankfurt, die viele – auch kritische – Fragen zu den Herausforderungen und Vorteilen bepflanzter städtischer Architektur beantwortet. Im Fokus stehen Haus- und Dachbegrünung im Bestand und Neubau.
Eine LEBENDIGE Ausstellung:
Das heißt: jede Menge GRÜN in den Ausstellungsräumen. Mannshohe Fotostrecken. Das pflanzenbewachsene DAM-Logo zum Anfassen und Schnuppern. Vorgestellt werden realisierte GRÜNbauten von Düsseldorf über Mailand bis Singapur, bereits Erprobtes und völlig neue Entwicklungen. Auch das Baumhaus des Darmstädter Architekten Ot Hoffmann, nur wenige Fußminuten entfernt von unserem Darmstädter Büro. Die Ausstellung bezieht Position: Architektur und Bauplanung müssen sich im Hinblick auf Grünflächen weiterentwickeln, Stadtlandschaften mit GRÜN aufgerüstet werden, nicht nur aufgrund ökologischer Aspekte.
Die Schau ist für Befürworter wie Skeptiker gleichermaßen interessant. Sie bietet Aha-Erlebnisse, Werte-Verschiebungen, Perspektivwechsel, denn: Vor allem stellt sie sich den häufigsten Fragen und VORBEHALTEN gegenüber bepflanzter Architektur.
DESHALB Gebäudegrün in der Stadt:
„Weil es an der Zeit ist“ heißt es schlicht im Buch zur Ausstellung. In Wohnnähe raus ins Grüne gehen – diese Möglichkeit fehlt vielen Menschen in den Großstädten. Wohnraum mit Garten oder Balkon ist extrem gefragt. Öffentliche Parks sind seit Corona noch stärker frequentiert. Bodengebundene Grünflächen gibt es in den Innenstädten meist zu wenig. Viele Flächen sind hoch verdichtet bebaut, nahezu „tot“.
Lebendiges GRÜN hilft der Stadtlandschaft auf mehrfache Weise. Es stärkt die Biodiversität, hält die Luft rein und den Lärm raus. Pflanzen im urbanen Raum binden Feinstaub und produzieren Sauerstoff. Vor allem die Überhitzung großer Städte ist ein Problem, zumal heiße Sommer zunehmend Normalität werden. Innenstädte mit Beton- und Glasfassaden, starker Versiegelung und wenig Wind-Durchlüftung heizen sich stark auf, so dass auch nachts die Temperaturen nicht mehr unter 20 Grad sinken. Studien belegen messbare Verbesserungen des städtischen Mikroklimas bei Luftzirkulation, Beschattung und Wasserhaushalt, sobald neben Parks und Gärten auch Dächer, Fassaden – die Gebäudehüllen – begrünt werden.
Im Grunde ist jeder zusätzliche Quadratmeter GRÜN wertvoll. Begrünung kann Stadtlandschaften in mehrfacher Hinsicht „reparieren“, auch als architektonisches Stilmittel.
Fragen, Fragen, FRAGEN:
Aber zerstören Pflanzen nicht Fassaden und Putze? Ist Begrünung nicht teuer? Und wer soll das pflegen? Wie ökologisch ist die Begrünung an der Gebäudehülle überhaupt, wenn man das Material mit einberechnet? Was kann Gebäudegrün gestalterisch leisten? Worauf muss man achten beim Begrünen von Bestandsgebäuden?
Neben wissenschaftlichen Perspektiven nimmt die Ausstellung technische Möglichkeiten und ganz praktische Fragen in den Blick und gibt viele praxisorientierte Hinweise zur Begrünung von Bestandsgebäuden oder Neubauten. Die umfangreiche Fragen-Sammlung reicht darüber hinaus von Ergebnissen der Klimaforschung bis zu Möglichkeiten der Förderung von Initiativen und des Engagements der Politik für infrastrukturelles Grün.
ANSCHAUEN lohnt sich:
Weil es viel zu lernen und zu staunen gibt. Nicht zuletzt Bäume einmal als „Mieter“ wahrzunehmen, die anstelle von Geld mit Sauerstoff, Ästehtik sowie Lärm- und Feinstaubabsorption „zahlen“. Da das Museum momentan coronabedingt geschlossen ist, ermöglichtet ein 10-minütiger FILM Einblicke in die Ausstellung. Online sind u.a. auch Gespräche mit Fachleuten zu finden. Hier geht es direkt zum Film (youtube).
Das begleitende „Handbuch für Gebäudegrün“ richtet sich an die Architekten- und Bauherrenschaft UND die gesamte Stadtgesellschaft. Neben den FAQ zum Thema GebäudeGRÜN fasst es viele praxisorientierte Hinweise zusammen. U.a. auch Kosteneinsparung durch bepflanzte Gebäudehüllen sowie finanzielle Förderung, Pflanzenkunde und einen Exkurs in die Geschichte bepflanzter Architektur.
MitMACHEN:
Namhafte Architekturbüros weltweit haben bereits spezifische Abteilungen eingerichtet, die sich auf Gebäudegrün spezialisieren. Neben den aufwändigen Architekturprojekten geht es auch darum, was jeder Einzelne vor der eigenen Haustür oder auf dem eigenen Garagendach machen – also pflanzen – kann. Kräuter, Baumlandschaften und Hängepflanzen statt graues Kiesdach und Betonfassade. Wilder Wein statt weißer Hausgiebel. Die grünen Inseln, meist versteckt in den Hinterhöfen der Stadt, verändern dennoch den Stadtraum positiv – atmosphärisch wie auch klimatisch.
Schon vor Ausstellungbeginn rief das DAM zum Vorstellen grüner Projekte auf. Zahlreiche Einreichungen zeigen das weite Spektrum der Möglichkeiten von High-Tech-Lösungen bis Low-Level-Umsetzungen, die unter Einsatz der passenden Mittel ebenso wirksam sind. Hausbesitzer, Unternehmen, Architekten, Planer, Landschaftsgärtner sind eingeladen, sich weiterhin zu bewerben. Nach Frankfurt wandert die Ausstellung weiter und soll dabei laufend WACHSEN.
Informationen und Links zur Ausstellung:
DAM Deutsches Architekturmuseum Frankfurt: EINFACH GRÜN – Greening the City, zu sehen sobald die Museen wieder öffnen bis 11. Juli 2021
Infos zur Ausstellung, Gespräche und Begleitprogramm (Website des DAM)
Ausstellungs-Video (youtube) anschauen
GRÜNE Projekte + mitmachen: www.einfach-gruen.jetzt
Einfach Grün – Greening the City, Handbuch für Gebäudegrün
Herausgegeben von Hilde Strobl, Peter Cachola Schmal und Rudi Scheuermann / Deutsches Architekturmuseum (DAM), Frankfurt am Main, 2021 / ISBN 978-3-939114-10-9
Bilder: Beispiele aus dem „Handbuch für Gebäudegrün“ und Ausstellungsfotos (Angela Sabo, Götz Schneider)